Hochzeitstag

„Zeugnis ablegen bis zum letzten.“ (Victor Klemperer)

Vor 17 Jahren war ich jetzt in Rom. Mit dem Lebensmenschen.

Wir hatten kurz davor etwas Ulkiges getan. Wir hatten uns uns versprochen. Vor einer Beamtin. Auf einem Amt. Nach Anmeldung mit monatelangem Vorlauf. Hatten uns Ringe, die wir viele Monate zuvor unter vielen Ringen ausgewählt und dann nicht nur durch die Inschriften, sondern auch durch Gestaltungswünsche uns gemäß gemacht hatten, an die gegenseitigen Ringfinger gesteckt.
Wir beide, niemand sonst. Suchten die Ringe aus, gingen zum Standesamt, versprachen uns uns, reisten nach Rom.
Wir beide, niemand sonst.

Bis heute verstehe ich nicht, warum etwas so Intimes wie eine Heirat „normalerweise“ mit ‚der Welt‘, also Familie und Freunden, geteilt wird. – Wir heirateten uns gegenseitig und sonst keinen.

Heute vor 17 Jahren war ich in Rom. Der Lebensmensch auch.
Wir waren auf unserer Hochzeitsreise.

Den ersten Hochzeitstag feierten wir dann in Umzugschaos und mit einer Psychose-Diagnose im näheren Umfeld, die bis heute Einiges erklärt und Manches sehr schwierig macht.
Den zweiten Hochzeitstag feierten wir mit der ersten Krebsdiagnose und im Glauben, ‚es schaffen zu können‘, in einem Restaurant, das wir noch zu Zeiten unserer ersten geteilten Wohnung entdeckt hatten.
Den dritten Hochzeitstag feierten wir nicht mehr. Denn kurz danach würde zunächst meine Uni-Stelle an jenem Institut auslaufen, das von einer Professorin schon vier Jahre zuvor vernichtet worden war, die an einem An-Institut weit bessere Möglichkeiten für sich gesehen hatte. Und dann hatte der Lebensmensch Besuch bekommen von einer alten Freundin.
Danach wollte er nichts mehr, gar nichts. Schon gar keine „Feiern“ von irgendwas.

Wenige Tage später war sein Tod, der auch unser Tod und ein Stück weit mein Tod war.

Er fehlt mir.

Auch, weil ich vermutlich nie wieder reisen werde, schon gar nicht nach Rom.

~ ~ ~

Er fehlt mir so.

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