Präambel, ergänzt am 11.12.21

Präambelbild 2019 (Nö klein)

Am zwölften elften zehn ist der Lebensmensch gestorben.
Ein Freitag, und es war tatsächlich um die Stunde, in der in der Bibel der Vorhang reißt.

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Wir waren 3 Jahre, 1 Monat und 2 Tage verheiratet (das zu sein, hat uns etwas bedeutet: Wir heirateten allein).
Wir waren 13 Jahre, 10 Monate und 13 Tage ein seiner Liebe und der meisten aus ihr erwachsenden Aufgaben bewusstes Paar (wenn wir auch diesen Aufgaben in den letzten 15 Monaten manchmal und zunehmend nicht mehr nachzukommen wussten).

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Irgendwann später habe ich mich im Witwesk begonnen.
Während der ersten Jahre hier hat sich fast alles verloren von dem, was ich zuvor konnte, und von denen, die ich zuvor kannte.

Es haben sich angefunden:
– ein Boot,
– ein Mast,
– ein Segel.

Und ein Meer.

Wenn Schwarzer Sturm ist, legt er sich als grauer Teppich über mich, dicht und schwer.

Aber immer wieder findet sich ein blauer Horizont ein:
Dieser Ort hier ist ein jenseitiger zu allem, was in Todesfällen denen vom Tode Unbetroffenen wichtig ist:
Dieser Ort hier ist ein Ort gegen „Trauerarbeit“™, gegen Grabstellenbesuche und gegen Zusammenrisse.

Dieser Ort hier ist und bleibt – nach all den Jahren ohne den Lebensmenschen und nach den 15 Monaten davor, während derer wir krepierten (an Krebs, Ärzten, Angst und Schmerzen) – ein Ort für das Einmalige, für mein Missen und für das, was sonst noch offen ist
und leer bleiben wird.

Verfassungspräambelzusatz vom 11.12.21:
Das Witwesk ist mir immer noch ein Ort mit einem Boot, einem Mast, einem Segel und einem Meer.
Nun aber ohne jeden blauen Horizont.
Und nun gibt es auch nur noch braune Stürme.
Und die legen sich auch nicht mehr als schwerer Teppich über mich, nein: Die ersticken, und zwar alles menschliche LEBEN, denn Leben heißt:
Eigensinn, Unplanbarkeit, alle Fehler und alle Heiligtümer der Liebe & Leben heißt der Tod, der aber vom Regime verboten worden ist und nur noch heimlich, also in vom Regime angeordneter Isolationshaft stattfinden kann.

Nie hätte ich früher zu denken vermocht, dass je in der BRD dieses faschistoide Grauen regieren könne, das nun regiert – seitens der Regierungen und Medien sowie in den Köpfen der Menschen.

Dabei hatte ich doch ein paar Jahre nach dem Tod gedacht, das schlimmste Grauen meines Lebens hinter mir zu haben.

– Ich habe mich gnadenlos geirrt.

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Aus meiner überwiegend beschwiegenen Familiengeschichte habe ich für mich gelernt: Ich werde nicht nur nicht wie meine Eltern, sondern vor allem nicht wie meine Großeltern.

Jetzt ist es grauenvollerweise an der Zeit, das zu beweisen.
Im Witwesk lege ich Zeugnis davon ab, ob es gelingt oder nicht.