ist eine Landschaft des Fehlens, des Mangels und der Defizite.
Hier fehlt es an Beziehung und Bezogenheit, an Zärtlichkeit, an der während langer Jahre erworbenen Sprache der Blicke, der Hände, der Stille, an Geld / Beruf / Familie, an der Erlaubnis zu existieren als der Mensch, der man geworden ist, und immer wieder grundlegend an „Sinn“ – oder wohl eher: an der einst (und auch damals schon mit Mühe nur) erarbeiteten Überzeugung, dass es so etwas wie „Sinn“ gäbe.
Seitdem ich nicht mehr schreiben kann, wird dieser „Sinn“-Mangel immer größer. Solange ich noch schreiben konnte, war es mir möglich, beim Abflug ins Wortall zu denken, dass ich etwas dort finden, messen und dokumentieren, also etwas mitteilen könne.
Mit dem Schreib-Mangel, der sich nunmehr seit über einem Jahr als Leerstelle neben dem beruflichen Defizit & dem Fehlen des Lebensmenschen {also neben dem Verlust des Lebens als Arbeit und Liebe} aufgetan hat, die beide sehr viel älter sind – mit dem Schreib-Mangel, so könnte es sein, komme ich womöglich langsam ans Ende.
Ich hoffe es!
Und es ist mir im Moment ziemlich egal, welches Ende das dann sein wird.
Es gibt mehrere Varianten, unten denen ich zwei präferiere:
Nr. 1. Über die lasse ich nichts verlauten.
Nr. 2. Mein Empfinden aller Defizite, Mängel und allen Fehlens endet. Ganz einfach, indem ich aufhöre, das Jetzt und das Früher zu vergleichen. Ich höre, wenn ich mich erinnere, auf, gleichzeitig die von einst und die von jetzt zu sein, und bin stattdessen nur noch die von jetzt. {Damit ginge einher, dass auch alle Erinnerung das Leben, das ihr zur Zeit noch eigen ist, verlöre.} – Bin nur noch die von jetzt:
Kann jetzt das Fahrrad genommen oder muss wg. Regens ein BVG-Ticket eingelöst werden? / Wird jetzt der Kurs und bis zu welcher Seite kommen? / Esse ich jetzt etwas oder nichts? / Ich bin totmüde, oder? / Der Kaffee schmeckt nach Kaffee. / Mir ist vermutlich kalt. // Und kein Gedanke vorwärts! Und kein Gedanke zurück!
{Pech dann nur, wenn das Geld auf dem Konto für das BVG-Ticket nicht mehr reicht, kein Kurs mehr stattfindet, der Kühlschrank leer, das Handy und alle Kontakte kaputt sind, der Schlaf nicht kommen will, kein Kaffee mehr da und die Heizung abgestellt ist. – Aber das alles ist nicht von diesem brutalplanen JETZT aus gedacht.}
Nur noch die von JETZT sein. Kein Früher. Kein Später.
Das hieße auch: das Witwesk aufgeben.
~ ~ ~
Hier ist aber nicht nur Minus, hier ist noch „Schreiben“.
In Anführungszeichen, weil dieses Schreiben nicht mehr zählt. Im Gegensatz zu Qualifikationsarbeiten, Forschungsexposés und selbstdeklarierten Romanprojekten.
Als ich so etwas noch vorweisen konnte, zählte es.
Was zählte da eigentlich? – Das blanke Machen, Mitspielenwollen, Regeltun? Denn alle Resultate – ob Scheitern, ob Erfolg – zählten gleich.
Und bei wem zählte es? – Das 1+1+1+1+etc.pp.: Bei allen Zählern, bis heute.
Hier im Witwesk ist noch das Schreiben. Gibt es noch Vergangenheit. Ist Gegenwart. Wird Zukunft gedacht (meist gefürchtet, manchmal, selten, gehofft).
Hier ist kein brutalplanes Jetzt. Hier ist Schreiben.
{Ob das gut ist, ist eine andere Frage.}
Das Witwesk ist eine öde Landschaft voller Leere. Sinnleer und emotional verödet.
Das Schreiben aber ist noch hier: „Und dann und wann ein weißer Elefant.“