– mit dieser Erfahrung leben können (oder sterben.)
Dass es nicht genug war ganz am Anfang. Nicht genug Arm, nicht genug Brust, nicht genug Augenglanz.
Und dass es nicht genug war ganz am Ende – welches vor allem, also physisch, das Ende des Lebensmenschen war –, nicht genug Sicherheit, nicht genug Mut, nicht genug Hingabe (und da rede ich auch von meinem Versagen).
(Zwischendrin waren knapp 14 Jahre, in denen alles reichte. Keine Not, kein Hunger, kein Mangel. Diese Jahre waren in einem anderen Leben, nun sind sie archäologische Fundstücke – wenn ich sie denn finde.)
Mit dieser Erfahrung, dass es nicht genug war, also leben (oder sterben). – Nicht mehr „hadern“.
Keine Tänze auf der Grenze mehr.
Kein trocknes Heulen mehr.
Und auch keine Verzweiflung mehr über vertanzte, verheulte, vertrocknete, entgrenzte Tage&Nächte.
– Immer wieder denke ich diesen Gedanken. Und frage mich, wie das wohl wäre.
Wenn ich leben (oder sterben) könnte mit all dem, was am Anfang und am Ende nicht genug vorhanden war.
Statt wie jetzt seit zehn Jahren auf der Grenze zu tänzeln, und das bar jeder Grazie eisbärenplump.
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Manchmal in den letzten Jahren ist es passiert: Irgendetwas hat trotzdem gereicht.
Während des DaZelns.
Mit den Freunden.
Auf einer Couch, auf deren Rückenlehne der Zwilling vom Mitbewohner steht. (Dort am seltensten. Und das macht es keineswegs ‚wertvoller‘.)
In der Oper, im Konzert. (Dort so sehr, dass es anfing zu sättigen: Endlich kein Magen mehr! Nur Ohren und Haut und Bauchhöhle.)
– Ein paar Lebensmomente lang also hat irgendetwas auch im Witwesk gereicht.
Wie das wohl wär’, wenn der Mangel der Frühzeit und die Verlusterfahrung in der Lebensmitte nicht mehr von existentieller Bedeutung wären? Wenn irgendetwas endlich und bis ans Ende reichen würde?
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Ich denke wieder über eine Museumsjahreskarte nach, nun, da alle Konzerte und Opern gestrichen sind.
– 50 Euro. Mundschutz. Besuchsfensterbuchungspflicht. Beschwerliche Anfahrt mit dem flitzeroten Fahrrad. Tonlosigkeit. Ewigkeit.
+ All die Geschichten, Gesichter, Blicke (in den Gemälden, auf die Gemälde – seit Jahrhunderten). Des Menschen Tier- und Menschsein genau betrachten können. Stille in Gegenwart Anderer, Weniger.
0 Die Promotionsphase in Leben #1: Die ganze Frührenaissance – jetzt noch einmal und völlig anders?!
Und ich denke an eine Reise. Ans Meer, wie es mehr Meer kaum geben kann: nach Ericeira. Vor anderthalb Jahren dachte ich schon einmal an so eine Reise, hatte sogar Hotel, Flug und Transfer recherchiert.
Ob dergleichen jetzt noch irgendwann einmal wieder möglich sein wird? Damals scheiterte es an mir. Jetzt scheitert es bis auf Weiteres an dem Todesangst-Wahnsinn, der die Menschen seit jeher in ihren Klauen hält, nun aber komplett über sie hereingebrochen ist.