Frei von und zu

267 Frei von und zu

Jemand ist gestorben, ist „noch nicht einmal“ 70 Jahre alt geworden (so sagen dann alle dazu: „noch nicht einmal“. Ich denke: Das sind mehr als 20 Jahre, die der Lebensmensch und ich nie hatten – und damals, vor 12 Jahren, waren 20 Jahre so ziemlich unser halbes Leben).

Als ich davon hörte, hat es nicht lange gedauert, bis ich dachte, dass das hier womöglich das Haus der ‚frühen‘ Tode sein oder werden könnte, und ich musste trocken auflachen, was natürlich, als ich das auch in einem Gespräch tat, nur Entsetzen hervorrief. Tja.

Und dann hat doch noch einmal die Mühle meiner Erzeugung gemahlen.
Hat mich wieder zermahlen. Und raus kamen die üblichen Höflichkeitsplätzchen, diesmal Trauerarbeitsküchlein.
Die ich klick-klack-klick-klack vor der Tür des Trauerhaushalts, genauer: in dessen Türrahmen stehend und sie persönlich übergebend, erzeugungsgemäß abgeliefert hab. Klickklackklickklack.
Hinter jener Tür trauert einer, den ich überhaupt nicht kenne. Und der damals, als mein Lebensmensch gestorben war, den er genauso wenig kannte, mir nie ein Wort dazu gesagt, geschweige denn Trauerhöflichkeitsempathiecookies übergeben hat.

Ich habe nun per Handschrift und per Essensüberreichung kondoliert.
Und mir ist in der Begegnung mit diesem Trauernden so deutlich geworden (wieder einmal), dass ich völlig anders bin.
~ ~ ~

Ich hatte zunächst zugesagt, zu der Beerdigung der mir bis auf ein Dreiminutengespräch vor etwa zwei Jahren (das im Hinterhof am Papiercontainer stattfand, aus dem ich ihren drin verlorenen Schlüsselbund herausfischte) völlig unbekannten Verstorbenen zu kommen.
Auch diese Zusage war der Benimm-Mühle geschuldet, die Höflichkeitsmehl mahlt, aus dem dann alles Mögliche, darunter auch Kondolenzplätzchen, gebacken wird, und die – wie auch die Backstube – vollautomatisiert läuft.
Leider manchmal immer noch.

Es hat auch jetzt wieder ein bisschen gedauert. Aber es ist doch noch entstanden.
Ich weiß jetzt, dass ich zu dieser Beerdigung nicht gehe.
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Es hat wieder ein bisschen gedauert. Immer noch dauert es ein wenig.
Aber es gelingt dann und wann:

Frei von und zu.

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