Frühling – tatsächlich!

„Zeugnis ablegen bis zum letzten.“ (Victor Klemperer)

Dass mir ein Frühjahrsputz so schwer fiel wie in diesem Jahr, ist mir unerinnerlich. Mich dazu zuzurichten (und Zurichtung ist das stets, denn Spaß empfand ich dabei noch nie, sehr wohl aber nach diesem ‚Werk‘ immer große Freude über die Blitzeblankheit meines Heims), war tageweise unmöglich: Ich blieb einfach im Bett, mit sinnlosesten Beschäftigungen (Handyspiele, Lektüre der Internet-typischen Kurztexte etc.).
Nun ist der Frühjahrsputz dennoch bewältigt (und mein Rücken brannte wie nie).
Und prompt kommt der Frühling – mit Temperaturen von 25, 26 Grad in der letzten Woche (die auch eine völlig atypische Ferienwoche für mich war, da ich erstmals in zehn Jahren zwischen zwei Integrationskursen drei Wochen Pause hatte; normalerweise endet der eine und beginnt der nächste Kurs in der darauffolgenden Woche).
Jetzt, da die Fenster blitzen, die Böden blinken, die Regale geschmeidig sind statt stumpf, jetzt freu’ ich mich wie immer nach dem Frühjahrsputz. Doch wie schwer er mir in diesem Jahr fiel, steckt mir in den Knochen.

Aber in denen steckt all die große Müdigkeit.

Nach den nunmehr fünf Jahren Kampf für die Rückkehr von Vernunft & Menschlichkeit in außerparlamentarischer Opposition, lange Zeit gejagt von den Staatsgewalten, nunmehr ‚nur‘ von ihnen beobachtet.
Nach der wiederholten Erfahrung, dass die, die sich als „der Widerstand“ titulieren, nicht einen Deut anders sind als diejenigen, die im stinkenden Staate den Ton angeben.

Meine Knochen haben all das nicht vergessen und vergessen auch nicht, was aktuell mit Menschen wie mir geschieht durch die Staatsgewalten, die lange schon nicht mehr von mir und allen hier unten, den Menschen dieses Staates, ausgeht.
Nein, meine Knochen vergessen nicht.

Aber kürzlich fühlten sie Frühling:
Ich radelte – nach langer, langer Zeit – wieder einmal bei einer Fahrrad-Demonstration mit:
bei der Berliner Friedensfahrt (https://friedensfahrt.org/).
Und was uns dort durch die Passantinnen und Passanten an positiver Rückmeldung entgegengebracht wurde, war zumindest für mich außerordentlich bewegend nach all den Jahren, in denen ich bei Demonstrationen als „Covidiot“, „Gesellschaftsschädling“, „Putintroll“ und „Nazi“ (ich …) beschimpft und durch das Regime auch als solcher verfolgt worden war (und bis heute werde …).

Erst dachte ich: Die Menschen begreifen nicht, wofür wir auf der Straße sind.
Dann aber sah ich, dass viele von ihnen sahen, welche Plakate auf dem Demo-Wagen an der Spitze angebracht waren und welche Fahnen unsere Fahrräder trugen.
Ich nahm wahr, dass sie unsere Losung „FRIEDEN“ hörten.
Sie begrüßten uns, beklatschten uns, winkten uns zu, sandten Handküßchen

– werden sie das nächste Mal mitradeln?
Das wäre gut, denn dann wäre etwa ein Drittel der Menschen dieser Stadt endlich AUF DER STRAßE.

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