Saison-Ende und -Anfang

„Zeugnis ablegen bis zum letzten.“ (Victor Klemperer)

Vorgestern beschloss ich meine diesmalige Opern-Saison mit dem „Rigoletto“, den ich erstmals hörte. Kurz zuvor las ich darüber nach und war seither ganz vergnügt, weil ich endlich mal ‚La donna è mobile“ live hören würde, statt nur als Jingle für Pizza-Werbung!
Und wahrlich – wie stumpfblöd dieser doch gleichzeitig herrlich schöne Schlager ist, hatte ich bis dahin nur geahnt: Ihn nun im Gesamtkontext zu hören (und dies ja mehrfach), machte mir zugänglich, dass ich auf mein empfindendes Wahrnehmen oft vertrauen darf, und dass ich vielleicht auch bei der Rezeption von sogenannter Klassischer Musik trotz all meiner Kretinhaftigkeit allmählich ein Wahrnehmungsorgan herausbilde, das zwar noch in der Kinderstube ist, dort aber ziemlich untrüglich.
Kurzum: Ein tolles Saisonende.
Und dass ich in die nächste Saison (jaja, die Operncard ist lange schon da und seit knapp drei Wochen ist für einen jeden Monat eine Aufführung gebucht, wie immer im 2. Rang in Reihe vier, also die zweitbilligste Karte) – dass ich also die nächste Saison mit dem „Lohengrin“ beginnen werde (meinem in beiden Leben 3.), freut mich schon jetzt.
(Ich bin mir bewusst, dass ich bis dahin xmal tot sein kann. Und es ist mir wurscht! Die prickelnde Vorfreude, die Brise aus dem Garten, gilt jetzt.)
Außerdem bin ich ja – sollte ich beim Kartenvorverkauf noch leben – wild entschlossen, mir 2026 den „Ring“ in der Staatsoper zu gönnen (falls er dann gespielt wird); das wäre mein 3. in beiden Leben, und da gibt es ja ein hübsches Sprichwort. (Auf den „Tristan“ lasse ich das indes nicht zutreffen, den höre ich mir gern auch mehr als viermal an!)
Himmel – jetzt bin ich schon im Jahr 2026! Dabei erscheint es mir verwegen, allein nur bis zum September diesen Jahres (Lohengrin!) zu ‚planen‘, das freilich nicht erst seit den rezenten Zeitläuften ohne „Rote Linien“, sondern seit dem Tod.
Auch das ein Geschenk im größten Schmerz, das mein amîs und man (wie Hartmann von Aue das im „Erec“ treffend nennt) mir gemacht hat: das völlige Zögern mit aller ‚Planung‘, die mehr als zwei Tage, zwei Wochen, na gut: zwei Monate voraus denkt.

Da fällt mir ein: Ich war schon sieben Jahre nicht mehr Kettenkarussellfahren – aber hier gibt es kein wirklich großes, soweit ich weiß.

Dafür war ich gestern mit dem flitzeroten Fahrrad zum zweiten Mal auf Friedensfahrt (jeden 1. Samstag im Monat, Treffpunkt Neue Wache in Berlin ab 12 Uhr, Abfahrt 12:30 Uhr; wer mal gucken mag, wie das so ist: hier).
Und wieder das Wissen: Sagen, was ist!
Und wieder das Gefühl: Es ist nicht vergeblich. Denn falls auch diese Gesellschaft sich wieder in Schutt und Asche legen sollte (und vieles deutet im Moment darauf hin), so wird irgendwann irgendwo die Flaschenpost ankommen. Die Gattung wird nicht (lange Zeit) völlig von vorn beginnen müssen.

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