Schon länger schaue ich zu, wie sich das Leder auflöst.
Nur ab und an, zum Beispiel, wenn ich im Schneidersitz sitze, berühre ich die Stelle mit dem Fuß. Manchmal, selten, schleift mein Oberschenkel im Aufstehen darüber.
Jetzt ist das Sofa dort – und nur dort – kaputt. Das Leder ist seit etwa zwei Jahren an dieser Stelle erst brüchig geworden, nun eingerissen. Nach 23 Jahren.
Die Sitzhälfte des Lebensmenschen hingegen ist völlig intakt; etwas ausgeblichen, aber sonst völlig intakt, das Leder dick und geschmeidig.
Polstereibetriebe habe ich kontaktiert.
Nachdem ich kurz überlegt hatte, ob ich noch ein zweites und letztes Mal ein neues Sofa – doch was ich ästhetisch fein finde, kann ich nicht bezahlen, und will ich nicht erwerben:
Ich habe dieses Sofa allein gekauft, aber da waren der Lebensmensch und ich schon in ein gemeinsames Leben über unser beider Leben hinaus verwoben; und: Er hat unzählige Male darauf gesessen. Auf der Seite, die unversehrt ist, nur mittlerweile sehr blass geworden.
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Eine Polsterei schlug vor, die defekte Sitzfläche durch einen Teil vom Sofarücken zu ersetzen.
Ich werde es nicht ersetzen lassen, weil es keinen Ersatz gibt für meine Lebensspur.
Ich werde ein neues Stück Leder in dieses Sofa einflicken lassen. Die Sitzfläche wird dann eine neue, etwas andere Farbe haben und eine neue Textur.
Es ist mein Sofa. Ich habe es allein gekauft. Ich habe es überwiegend allein besessen: von den 23 Jahren hat es der Lebensmensch ‚tagtäglich‘ nur fünf Jahre lang mit mir geteilt (zuvor war Fernbeziehung und danach der Krebs).
Und er wird bekanntlich nie wieder darauf sitzen.
Dabei ist seine Seite doch völlig intakt, das Leder dick und geschmeidig, nur verblichen.
{Vielleicht ist das Training für den Matratzenneuerwerb, der seit Jahren mehr als fällig ist?
Denn im Witwesk gilt: Nie ist ein Ersatz möglich. Immer gibt es – wenn überhaupt – nur das Neue. Und das muss weitgehend Flickwerk bleiben.}