„Zeugnis-Ablegen bis zum letzten.“ (Victor Klemperer)
Wieder einmal möchte ich mich an die Adresse des toten Lebensmenschen retten, dort sagen, dass ich selbst enden mag.
Doch mich hindert daran, nicht glauben zu können, dass diese gottverdammte Gattung sich tatsächlich selbst auszurotten im Begriff ist, und fest zu empfinden, dass etwas dagegen unternommen werden muss.
Möchte mich aber wenden an meinen toten Liebsten.
Denn er ist da, inmitten meines witwesken Lebens jetzt, hier. Und er kann nichts mehr sagen, nichts zum Gattungswahnsinn, nichts zu meinem gegen diesen Gattungswahnsinn gerichteten eigenen Wahnsinn. Die Anrede „Liebster“ – acht Jahre lang während unserer Fernbeziehung in all den Briefen gelebt und erstrecht in den knapp sechs Jahren der geteilten Wohnung – vermittelt mir, wissend, dass ich damit einen Toten anrede, bis heute Trost. (Das versteht außer mir keiner. Auch das birgt einen gewissen Trost für mich.)
Und mir ist ganz klar: Das ist Eskapismus, ist ‚Fahnenflucht‘ (ja: Ich bin im Krieg – gegen den Wahnsinn der Menschheit), ist ein Sich-Suhlen im – längst verlorenen – Idyll.
Und so verbiete ich mir das. Verbiete mir, Monologe an den toten Liebsten zu halten. Unterbinde die ständigen „Liebster, …“-Gedanken.
Denn ich muss trostlos sein in dieser Welt des reinen Grauens, das die Menschen nun über sich selbst ausgebreitet haben.
Die Menschen, die jetzt entweder nach wie vor zu allem schweigen und es schweigend mitmachen.
Oder die lauthals dazu aufrufen, dass wir – anders als sie – sich opfern für ihren Krieg, erst den gegen ein Virus, nun den gegen – ja: gegen was oder wen eigentlich?!, aber das ist ja mittlerweile völlig gleichgültig, Hauptsache Krieg und Hauptsache Feind und Hauptsache Opfer, auf dass wir frieren, hungern, sterben für irgendeinen Krieg, der weltweit millionenfach Menschen tötet und der wahlweise gegen Viren, gegen Länder, gegen neue „Hitlers“ oder für das Klima, für die Pharma- abwechselnd mit der Rüstungsindustrie oder allgemein für das WEF geführt wird.
Auf dem Schlachtfeld liegen schon seit zweieinhalb Jahren unbegraben verwesend: Vernunft, Solidarität und Freiheit.
Und deshalb muss ich trostlos sein in dieser Welt des reinen Grauens.
Solange ich mir einbilde, dass es darin noch irgendeinen Trost gäbe – und sei es in der Anrufung meines toten Liebsten –, solange bin ich gelähmt.
Aber ich muss sein, was ich mit kurzer Pause im Grunde seit bald 12 Jahren bin, und muss es nun noch viel mehr sein: trostlos.
Denn das ist jetzt keine Privatangelegenheit mehr:
Dieses Grauen der zerbrechenden Zivilisation ist nun allenthalben.
Und Trostlosigkeit die adäquate Reaktion darauf:
Sich nicht wegducken.
Sich nicht entziehen.
Sich hinstellen, hinsehen, stehen bleiben & sich dagegen stellen. Trostlos. Bis zum Schluss.
Denn das hier jetzt ist schon lange keine Privatangelegenheit mehr.
Der Bibel nach geht das Ganze aber gut aus. Wenn man’s so nimmt.
Tätä!
Grundsätzlich gilt da wohl: Mit der Bibel verhält es sich als Großes wie mit einem Horoskop als Kleines: Irgendwas passt immer, irgendwann, irgendwie.
Allerdings sieht die Bibel – s. Offenbarung/Apokalypse des Johannes – keineswegs vor, dass „das Ganze aber gut aus[geht]“, jedenfalls nicht hinieden.