„Zeugnis ablegen bis zum letzten.“ (Victor Klemperer)
Vierzehn Jahre lang haben wir, der Lebensmensch und ich, unsere August-Geburtstage gemeinsam ‚gefeiert‘ (manchmal auch ‚nur‘ am Telefon, und auch das war in den acht Jahren Fernbeziehung ein Fest).
In diesem Jahr ist es nun vierzehn Jahre her, dass wir unsere letzten August-Geburtstage zusammen begingen, damals so still in aller Verzweiflung mit nur einem oder vielleicht auch keinem Geschenk mehr – ich kann mich an „das letzte Geschenk“ jeweils nicht mehr erinnern, aber Blumen waren da und der Versuch, gut zu essen.
Die Zeit jetzt überschreitet damit wieder eine Grenze: Nun wird sie länger sein, werde ich länger ohne ihn leben, als unser gemeinsames Leben dauerte.
Nie wollte ich einen Tag länger leben als er.
Das ist nun bald vierzehn Jahre und drei vergebliche Tode, die ärztliches Mitleid erregten („Sie hätten tot sein müssen, Sie Pechvogel!“), her.
Nie wollte ich älter werden als er.
Das ist nun zehn Jahre her und passierte an mir vorbei ohne vergeblichen Tod.
Jetzt also werde ich nach dem Tod länger gelebt haben, als wir gemeinsam es taten.
Noch immer schwebt der Ballon mit den Zimtkuchenstangen durch die Lüfte.
Nie wird er jemals noch einmal landen wie vor vierzehn Jahren mitten in unserer Küche. Seine Duftfracht wird mir immer nur Erinnerung bleiben – ohne jeden leibhaftigen Genuß der Zimtexplosionen aus diesem Kuchen heraus auf meiner Zunge wie erst- und letztmals vor vierzehn Jahren.
Ihn kosten zu können, war das letzte Geburtstagsgeschenk, das der Lebensmensch mir machte.
Ich erinnere mich an diesen Duft, diesen Geschmack, ihn da an der Rührschüssel auf dem Küchentisch.