14 Jahre danach

„Zeugnis-Ablegen bis zum letzten.“ (Victor Klemperer)

Vor 14 Jahren traten der Lebensmensch und ich nun langsam in die Zeit des Sterbens ein – ohne es zu wissen, aber in der rein „diagnostisch“ begründeten Furcht davor.
Knapp 14 Jahre nach unserer Zusammenkunft starben wir dann tatsächlich – als Paar – und starb er als Mensch, mein Lebensmensch (Urheberrecht für dieses Wort bei Thomas Bernhard).
Nach wie vor bin ich sicher:
Er starb aus Angst. Vor den Schmerzen. Die die ärztlich angeordneten ‚Behandlungen‘ verursachten („kompletter Verwachsungsbauch“ steht in einem der OP-Berichte). Und vor dem Grauen, das der Besuch einer Person ausgelöst hatte, die Ärztin war und einst dachte, ihn zu lieben, bis sie ihrer Täuschung inne wurde und ihn verließ (und damit seinen 1. massiven Crohn-Schub auslöste, der dann zur Crohn-Diagnose führte, die – vielleicht, niemand wird es je wissen – etwa 15 Jahre später zur Krebsdiagnose führte).

Was für das Ende ausschlaggebend war, lässt sich noch weniger klären.

Ganz viel dabei kam von ihm.
Und einiges auch von mir.
Ich werde es nicht mehr klären können. Nie mehr.

Ich hätte ihn obduzieren lassen sollen. Um wenigstens zu erfahren, ob er am Krebs oder an den durch die Ärzte induzierten Schmerzen und der Angst davor starb.
– Ich habe nach tagelangem Überlegen das verweigert. Auch, weil seine Eltern es so entsetzlich gefunden hätten. Sein Bruder wird mir das nie verzeihen. Ich mir auch nicht.
Ändern kann ich es nicht mehr.
Und bin mir sicher, weil ich ihn auch – wie unser gemeinsames Leben lang zuvor – in den letzten 15 Monaten begleitet habe und dann am Ende im Arm hielt (wie er mich in seinem Leben zuvor unzählige Male): Er starb aus Angst vor den Schmerzen und aus Verzweiflung ob dessen.

Dass ich nie gereicht habe, um dagegen zu halten, um ihm Sicherheit zu geben (und sei es – und wohl vor allem – durch Freiheit: seine, und auch meine, Freiheit von und zu ALLEM) – das ist die Schuld, die ich trage.

~ ~ ~
Ich bin
ich
geworden durch viele
am bewusstesten durch dich
den einen mit diesem
Lächeln
über der Traurigkeit
das ich dir irgendwann immer
von Lippen und Tränen
küssen konnte

am Ende nicht mehr
da waren wir
nicht nur
nackt
da waren wir ohne Haut.

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