„Zeugnis-Ablegen bis zum letzten.“ (Victor Klemperer)
Mittlerweile finde ich es frivol, hier in meinem privaten Blog, der nun seit bald drei Jahren aber zu einem der vielen Orte geworden ist, an denen die Menschen Zeugnis ablegen von dem Irrsinn der menschlichen Gattung, welcher diese endgültig seit dieser Zeit beherrscht und zu immer entsetzlicheren Worten und vor allem Taten antreibt –, mittlerweile also finde ich es unanständig, leichtfertig, schamlos, hier in meinem Blog und sogar in meinem Leben mir einen Wunsch bewusst zu machen, einzugestehen oder gar zu „verfolgen“, den ich nun wohl seit bald 15 Jahren in mir habe.
Aber das hier ist mein privater Blog.
(Und kein Tagebuch, ein Blog, weil ich – noch immer – nicht imstande bin, auf die Illusionen zu verzichten, dass die einstigen FreundInnen wissen möchten, wie es mir geht, und dass sie mich hier immer kontaktieren könnten, wenn sie es denn wollten; und weil ich auch noch immer nicht auf die Illusion verzichten möchte, dass das, was ich zu sagen habe, nicht gänzlich banal sei, sondern wahrhaftig und auf LeserInnen trifft.)
Jedenfalls fällt es mir zunehmend schwerer, in diesen Zeiten mein witweskes Kleinklein hier, wo doch einst ein Ort dafür sein sollte, niederzuschreiben.
Heute mache ich das.
Denn gerade vorhin wieder hörte ich dieses Rauschen, spürte ich mich sanft auf und in und unter den Wellen, derweil ich auf dem flitzeroten Fahrrad saß und dann noch einmal für Sekundenbruchteile im Kurs.
ICH WILL NOCH EINMAL ANS UND INS MEER.
Keine Nord-, keine Ostsee. Und auch keine Adria.
Ich will noch einmal das Meer! Im Frühjahr, Sommer oder Herbst.
Ich will den Atlantik in Portugal oder meinetwegen auch die costa de la luz.
Ich will noch einmal das Meer und die Wärme und den Geruch von Pinien. Aber vor allem: das Meer.
Und diesmal nicht für zwei Wochen. Ich will noch einmal das Meer – und zwar für mindestens einen Monat, besser noch zwei.
Vor drei Jahren schenkte mir eine spanische Teilnehmerin „meines“ Integrationskurses (einen herzlichen Gruß an Paula!) eine ganze Schachtel voll von diesen ebenso berühmten wie leckeren Veilchenbonbons, die hier in meinem Fastalleszimmer immer noch zu vier Viertel gefüllt an einem Nagel hängt (die schmecken so göttlich, dass ich Ehrfurcht davor habe).
Wünsche sind genauso: Wenn man sie sich nicht irgendwann auf der Zunge zergehen lässt, verklumpen sie zunächst, um dann vertrocknet zu zerstäuben.
Nur ist vor 12 Jahren meine Zunge vom Tod getroffen worden: All meine privaten Wünsche – und eigentlich gibt es nur noch einen, und der lautet: Ans Meer! – rollen mir im Kopf herum und finden keinen Weg mehr nach draußen und schon gar nicht in die Realität. Sie sind ziemlich verklumpt und langsam beginnen sie zu vertrocknen.
– Ans Meer!
{Memo @ me: Ich war schon so weit weg vom Lebensmenschen&mir hin zum Meer und meiner Sehnsucht gekommen, so weit: diese Opern-Abos zeugten davon: Hin-undWeg-Sein-Können in der Musik, mein Lachen, die Kleider (nie trug ich Kleider, seitdem ich 18 bin); ich war so weit gekommen in der Präsenz, im Carpediem, im Hier&Jetzt, in der Unbeschwertheit.
Es kam der Corona-Totalitarismus.
Und ich weiß nicht mehr: Dürfen solche wie ich wirklich nie unbeschwert sein? Oder ist das alles nur so ein Zufall wie die jeweiligen Umstände, die zum uns allen gott*seidank garantierten Tod führen?}