Im Zeitalter von Corona mache ich witwesker Eisbär (wenig erstaunliche) Entdeckungen.
Heute wurde ich gefragt, inwieweit sich mein Alltag geändert habe.
Ich musste antworten, dass er sich fast gar nicht geändert hat. Der Ausfall des DaZelns begann erst diese Woche, das ist noch nicht spürbar. Der Ausfall einer anderen regelmäßigen Veranstaltung wird erst nächste Woche beginnen. Gestern war ich noch auf dem Iron-Widow-Parcours. Morgen vermutlich nicht mehr.
Wenn das alles weggefallen sein wird, wird sich mein Alltag dennoch kaum ändern. – Oder eher: Er wird einfach wieder auf das zusammenschnurren, was lange Jahre nach dem Tod war:
Existenz. Das Minimum.
Allerdings gab es damals noch deutlich mehr Menschen in meiner Existenz. Es gab Telefonate, es gab Mails, es gab mitunter gar Treffen. Das hat sich schon vor dem Zeitalter von Corona extrem reduziert. Aus Gründen.
Gleichzeitig hat sich in den letzten Jahren ans Existenz-Minimum Einiges angelagert (die Entgrenzung meiner ‚Befindlichkeit‘ im Musik-Erleben zum Beispiel oder ihre Eingrenzung, ihre Stabilisierung durch die narzisstische Zufuhr beim DaZeln). Und das war ‚gut‘, denn eine dauerhafte Existenz auf Existenz-Minimum-Niveau tötet, leise & langsam.
Jetzt im Corona-Zeitalter brechen auch noch meine letzten Menschen-Kontakte weg (und sei es nur die Konfrontation mit Hunde-Besitzern beim Joggen im Park). Und ich entdecke:
Mich macht das unsagbar traurig.
Und das überrascht mich, auch wenn es von außen betrachtet völlig logisch ist, denn auch ein witwesker Eisbär ist ja letztlich ein Mensch: des Kontakts bedürftig, auch wenn der wie alles bei witwesken Eisbären jahrelang aufs Existenz-Minimum reduziert werden kann.
Wird das unterschritten, vermögen sich witweske Eisbären auf eine Eisscholle zu setzen und davonzutreiben (dessen bin ich mir mittlerweile sicher).
– Und diese Option gibt mir im Moment jenes Quentchen ‚Mehr als nur Existenz‘, das dafür sorgen könnte, mich auf den (pflanzlich leider wintertoten) Balkon zu setzen, wenn die Sonne weiterhin so scheint wie heute, oder vor den letzten Proust-Band oder hinter die Schreibmaschine.
Im Moment, und wer kann schon über den hinaus leben.
{Und wieder ist es gut zu wissen: Kein Mensch wird mich bitterlich vermissen.}