Es kann nicht aufhören, das Stück Mensch in mir

„Zeugnis-Ablegen bis zum letzten.“ (Victor Klemperer)

Ja, es kann nicht aufhören, das Stück, das in mir noch Mensch ist. Es hat mich begreifen lassen, dass ich es nicht verleugnen kann, dass ich es nicht umgehen kann, dass es mein Erbe als ehemalige Gattungsangehörige ist und ein Teil meiner Identität.
Und dass seine Aufgabe darin besteht, Zeugnis abzulegen und gegen das, was es da nunmehr seit zwei Jahren und drei Monaten bezeugen muss, zu kämpfen, denn was da nun seit all dieser Zeit geschieht, ist unmenschlich und mehr noch: es ist unkreatürlich, ist gegen alles Lebendige gerichtet.

~ Fio, mein Liebster, Du bist tot und weder darf ich Dich als Adressaten meiner Not missbrauchen, noch findet meine Not in Dir einen brauchbaren Adressaten. Es ist besser, wenn ich Dich wieder nur in Gedanken heimsuche. ~

Also weiter Zeugnis ablegen hier, und auf der Straße, im Gespräch, in Mails kämpfen für das Überleben der Menschlichkeit, der Lebendigkeit.
Allen Widerständen zum Trotz.
Auch und gerade den eigenen. Von denen ich mir kurz Rechenschaft ablegen muss:

Vergangenheit: Die Erfahrung, dass alles Wesentliche, worum ich je kämpfte, verloren ging, dass also ein jeder meiner Kämpfe (um Wesentliches) vergeblich war.
Gegenwart: Die Zeugenschaft an einem umfassenden Menschheitsversagen. Und deshalb die Notwendigkeit, ein Stück weit Mensch zu bleiben und zu kämpfen.
Zukunft: Da kann ich jetzt lernen aus meiner Erfahrung mit unserem Tod vor elfeinhalb Jahren: Zukunft ist nicht zu planen; Wünschen hat noch nie geholfen; aber ich kann mich verlassen auf mein Gefühl für Recht und Unrecht, und weiß um Ambiguität.
Lebensweltliches: Neuen Laptop endlich erhalten (teuerster ever, mit Touchscreen und ganz neuen Malmöglichkeiten, diesmal aber erstmals ohne neues Textprojekt – wir fremdeln noch); Gasthermenreparatur macht ungeahnte Schwierigkeiten; neuer Unterricht beglückend; große Müdigkeit; Aufgabenlistenschleifenlassen (nur nicht – wie immer – die ‚beruflichen‘); Igligkeit; Erfahrungswiederholungen noch und nöcher, nun auch mit einem für mich „neuen Typ“ Mensch, der offenbar auch nur der alte ist; Lust auf nichts, doch: aufs Meer.

Also geht es hier weiter. Auf dem neuen Laptop (ein neuer war fällig geworden, aber es hätte nicht so ein Luxus-Gerät werden müssen, das nicht mehr nur eine brillante Tastatur bietet, sondern auf dem ich nun auch malen kann).

Ich habe ein Fundstück aus dem Netz mitgebracht:
Ein Interview von James Corbett mit Mattias Desmet, Professor für Klinische Psychologie an der Universität Gent und praktizierender Psychoanalytiker. Desmet hat sich schon mehrfach zu den psychologischen Grundlagen des weltweiten Umgangs mit „Corona“ geäußert und darüber nun ein Buch geschrieben. Er greift darin auf die Theorien zur totalitaristischen Massen-Bildung zum Beispiel einer Hannah Arendt zurück.
Was mich in dem Interview überrascht hat: Mattias Desmet bietet nicht nur eine sehr luzide psychologische (oder besser: psychoanalytische) Analyse der Entwicklung der letzten bald zweieinhalb Jahre, sondern er entwirft dort auch eine ‚praktische Anleitung‘, wie dagegen anzukämpfen ist:
dadurch, dass wir, die wir eine andere als die offizielle Perspektive auf das Geschehen haben, nicht damit aufhören, unsere dissonante Stimme zu artikulieren. Denn auch wenn wir dadurch die Corona-Massenpsychose nicht aufheben können, so werden wir doch, wenn ein jeder von uns beständig daran erinnert, dass es neben der vorherrschenden Meinung auch noch andere Meinungen gibt, dafür sorgen können, dass dieser Sachverhalt nicht aus der Welt geschafft werden kann.
Und mich hat auch überrascht, dass Desmet, ein Intellektueller im besten Sinne, daran erinnert, dass wir die Welt – bis hin zur atomaren Ebene – letztlich nicht rational erklären können. Doch er ist halt ein gewiefter Psychonalytiker.
https://www.corbettreport.com/desmet-massformation/

Q.e.d.: Ich habe mir seinen Appell zu Herzen genommen.

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