Mal einfach sein (und politisch weiterarbeiten)

„Zeugnis ablegen bis zum letzten.“ (Victor Klemperer)

Heute, nein: schon wieder gestern, war ich erneut in der Oper, erstmals in einer Donizetti-Oper („Anna Bolena“), ziemlich spontan hatte ich die Karte (wie immer eine von den billigsten, was halt die Witwenhaushaltskasse hergibt) erworben, weil ich vermutete, dass drei Stunden im Umbruch befindlicher belcanto jetzt genau richtig sein könnten.
Sie waren es (noch dazu von einem doppelt so teuren Platz aus, weil so viele leer geblieben waren und ich endlich mal den Mut fand, in letzter Minute zu wechseln).
Sie waren es so sehr, dass ich noch heute Nacht den „Ring“ (ich muss für mich immer „von Wagner“ dazu sagen, weil ich mich viele Jahre mit dem „Ring“ von einem Herrn Wittenwiler beschäftigte) gebucht habe – für richtig viel Geld, auch wenn’s wieder die billigsten Karten sind.
Und obwohl ich ja dachte, nie wieder eine Oper und schon gar keine Wagner-Oper zu hören, weil diejenigen, die die zur Aufführung bringen, und diejenigen, die bei sowas im Publikum sitzen, mich über fünf Monate am Stück aller Bürgerrechte beraubt haben, da in diesem Winter 2021/22, als ich kein Restaurant, kein Kaufhaus, keinen Friseur betreten und mich nicht mit mehr als einem Menschen treffen durfte, und die dann wollten, dass ich zwangsgespritzt werde mit einer experimentellen Gen-Therapie, die vielleicht/vermutlich/sicher mehr Schaden als Nutzen bringt.
Ich vergesse das nicht und ich arbeite dafür, dass so etwas hierzulande nie wieder passiert (weil das der Anfang des Faschismus ist)
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Aber heute, nein: schon wieder gestern Abend habe ich gemerkt: Ohne Opernbesuche, ohne Konzertbesuche (ich hab mir das damals nach dem Tod als mein neues Eigen mühsam herausgearbeitet aus aller Nullsamkeit) mag und kann ich nicht.
Sein.
Zeugnis ablegen.

Und das nicht zu tun, gestatte ich mir vorlaufig immer noch nicht!
Also gestatte ich mir den Bismarck-Opern-Ring im Mai! Vorletzte Reihe im zweiten Rang.
(Es wird mein zweiter Ring sein. Den ersten hörte ich vor mehr als dreißig Jahren durch behutsame Heranführung – diejenige, der ich das damals verdankte, hat sich im Laufe des Krebses, und ein wenig dann noch im Laufe des Todes, als ein Mensch herausgestellt, der für mich keiner ist. Doch für die Begegnung mit der Oper – von Carmen bis zum Ring – werde ich ihr immer dankbar sein. Denn daher ließ sich jetzt, vor ein paar Jahren, etwas herausschälen, das mir ein neues Eigen ist.)

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