Das Fehlen nach dreizehneinhalb Jahren

„Zeugnis ablegen bis zum letzten.“ (Victor Klemperer)

Kürzlich war ich seit langem einmal wieder im benachbarten Park spazieren, zum ersten Mal – wenn ich mich recht besinne – allein, denn normalerweise renne ich allein dort ja nur den Iron-Widow-Parcours entlang.
Ich habe endlich die Schaukel auf dem Spielplatz entdeckt, der in abendlicher Stille lag, als ich dort entlang kam; schaukeln verlernt man wohl auch nie.
Wie fast überall, hingen zwei Schaukeln an der Stange. Da ich beinahe allein auf dem Spielplatz war, blieb die zweite leer.
Beim Weitergehen im Abendlicht eines nicht allzu warmen, aber wunderschönen Mai-Tages wurde mir immer bewusster, in welch herrlicher Lage sich unsere Wohnung befindet (wie schön die selbst ist, war mir ja während des Frühjahrsputzes wieder einmal ganz klar geworden).

Was hätte hier werden können …

Das Fehlen und die Traurigkeit sind mittlerweile kein samtschwarzer Teppich mehr, der mich in sich einrollt. Sie sind in solchen Momenten eine feinstoffliche Flüssigkeit, die zusammen mit dem Blut mich durchströmt, wenn auch etwas verhaltener als letzteres.
Die Verwandlung von außen nach innen bringt es vielleicht auch mit sich, dass ich das Fehlen und die Trauer oft gar nicht mehr spüre, denn außen ist so viel Anderes, ebenfalls – wenn auch auf ganz andere Weise – Grauenvolles, das sich häufig bleischwer auf mich legt, und das seit vier Jahren. Da sind die Traurigkeit und das Fehlen auf ihrem Weg ins Innere fast so etwas wie ein Refugium fürs Eigene geworden – vielleicht sind sie jetzt auch ein Teil des Eigenen. Jedenfalls sind sie vertraut, heimelig fast. Gleichwohl ist dem Fehlen weiterhin jener Sog eigen, nunmehr als warmer Luftzug, welcher ebenfalls in mir weht. Und manchmal wohl auch zu meinen Augen heraus an sein mir unbekanntes Ziel.

Was hätte werden können …

(Und diese Frage, die aufgehört hat, eine zu sein, sondern die eine andere Erscheinung des Fehlens ist – sie lässt mich wie immer verstummen angesichts dessen, dass es hier so unverdient schön ist.)

PS: Unverhofft durfte ich nun zwei Wochen Urlaub haben – und nutzte sie! Zu einer „Fastenkur“, deren „Entbehrungen“ die vorhandene Fülle mir in Erinnerung riefen. Das war gut
Ich denke, es wird – falls keine Atombombe fällt – ein schöner Sommer. Ich möchte ihn erleben.

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