Erinnerung an Menschenmögliches

„Zeugnis ablegen bis zum letzten.“ (Victor Klemperer)

Soweit ich zurückdenken kann, war ich stets bei der Minderheit.
So auch jetzt:
Eine Cocotte in strahlendem Rot (die erste meines Lebens), eine neue Bratpfanne, drei Kleider, zwei Paar Sandalen, ein Kochmesser (das erste meines Lebens), eine türkisfarbene Jeans und die ganzen Konzert- und Opernkarten (sie reichen bis ins nächste Jahr!) sowie noch einiges an Alltagskleinkram habe ich erworben und den mehr als großzügigen Geschenkgutschein von den TeilnehmerInnen meines kürzlich abgeschlossenen Integrationskurses in ein Set von Espresso- und Milchkaffeetassen verwandelt, die in den herrlichsten Meeresfarben schillern und so einen jeden Tag ein wenig urlaubig beginnen lassen
– und damit habe ich entgegen den Mehrheitsmassen die Wirtschaft angekurbelt und angesichts des Krieges, der kommen wird, völlig sinnlos gehandelt (was mich per se freilich jetzt einmal auch auf die Seite der Mehrheit bringt).

Vorgestern begann ein unverhoffter kleiner Urlaub und der Zufall wollte es, dass ich zu Jahresbeginn schon für diesen Abend eine Karte bei den Philharmonikern erworben hatte (die erste dort seit der C-Zeit). Am Schluss Beethovens 5. Sinfonie (für mich live eine Premiere, für eins der neuen Kleider ebenso).
Klar, ganz klar die Sehnsucht: Würden wir das doch zusammen hören können & leer und kalt und scharf das Fehlen.
Seelenbetastend ein jeder Ton. (Ich höre die Töne zwar nicht mehr, aber meine Seele schwingt noch immer leicht nach von der Berührung.)
Und außenrum: beim Betreten des Hauses, beim Garderobe-Abgeben, Platzsuchen, beim Auf-den-Beginn-Warten, dann in der Pause und schließlich auch beim Gehen das Wissen: Um dich herum sind mehrheitlich MitläuferInnen des C-Totalitarismus.
Aber es gilt: ¡No pasarán!

Alles an Geld, das ich für Opern- und Konzertkarten ausgebe, ist sinnvoll ausgegeben (es sind weiterhin stets die billigsten Tickets).
Denn immer wichtiger wird, dass nicht in Vergessenheit gerät, was diese elendige Gattung „Mensch“ auch ist und vermag – neben allem Grauen, das sie nunmehr ununterbrochen erschafft.

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