Diese unerträgliche Verlogenheit von ÄrztInnen

Werden mich unsere Enkel- und Urenkelkinder fragen: „Du hast doch alles gewusst, warum hast Du nichts getan?“ – Nein: Diese Frage noch zu stellen, wird niemand mehr da sein.

OHNE BILD

Diese unerträgliche Verlogenheit von ÄrztInnen, die (klar: weil immer noch Jeffe in Weiß und so) sich auswirkt auf etwa 70% der ehemaligen StaatsbürgerInnen, die nunmehr nur noch wieder UntertanInnen sind – mit der kann ich mich vermutlich bald nicht mehr arrangieren.

Gerade sah ich ein paar Minuten einer RBB-Dokumentation über die sogenannte „Covid19-Intensivstation“ der Charité. Ich habe nach wenigen Minuten ausgeschaltet, weil ich diese unerträgliche Verlogenheit nicht – ja: nicht ertragen kann.
Ach, wie sind all diese ÄrztInnen und KrankenpflegerInnen in dieser Doku doch alle entsetzt und bekümmert und mitgenommen und voll fertich, weil unter ihren Händen Menschen sterben. Na achherrjeminje aber auch! All diese so wahnsinnig mitfühlenden und sich aufopfernden ÄrztInnen und PflegerInnen! Na achherrjemine aber auch!

Als mein Mann starb zwischen seinem grad noch 45. und seinem knapp erreichten 47. Lebensjahr, als mein Mann in jenen 15 Monaten starb, hat das keinen der etwa 20-30 ÄrztInnen, mit denen er und wir es zu tun bekamen, auch nur ansatzweise gestört: Keinen der Chirurgen, keine/n der AnästesistInnen, keine/n der OnkologInnen, keine/n der InternistInnen, weder in Krankenhäusern noch in ambulanten Praxen. Und auch kaum eine/n der etwa 200 KrankenpflegerInnen, mit denen wir es in dieser Zeit zu tun hatten.

– Im Gegenteil: Die fühlten sich von uns gestört. Und zwar massiv gestört.

Als wir einmal die Onkologin anriefen (was wir gemäß deren Anweisung in diesem Falle tun sollten, nämlich im Falle von plötzlichem Fieber während der Chemo), war sie höchst ungehalten, da offenbar gerade bei einem wichtigen Abendessen (und dass ich dann wegen des Antibiotikums, über dass die uns vorher einfach nie ein Rezept ausgestellt hatte, nachts in strömendem Regen und mit einem fieberhalluzinierenden Lebensmenschen im Bett zu einer Apotheke musste, und dass ich dann telefonisch die Onkologin von der Apotheke aus noch mehrfach bei ihrem Abendessen stören musste, weil die Apothekerin das Antibiotikum ohne Rezept nicht rausrücken wollte – das war eine Erfahrung, die ich bis an mein Lebensende nicht vergessen werde).

Als wir zweimal die Feuerwehr riefen (was wir gemäß sämtlicher Arztanweisungen in diesem Falle tun sollten, nämlich im Falle von etwaigen plötzlichen Darmverschlüssen), nahm die uns zwar nach einiger Diskussion tatsächlich noch mit, doch die ÄrztInnen im Krankenhaus reagierten unwirsch und griffen nur zu „Dipi“(dolor), was sie so dermaßen in den Oberschenkel rammten, dass dort noch nach zehn Tagen ein 2-Euro-großes Hämatom sicht- und fühlbar war, was aber leider in den Stunden des akuten Darmverschluss-Schmerzes nicht das Mindeste half. Und auch diese Erfahrung werde ich bis an mein Lebensende nicht vergessen. Wie so viele andere Erlebnisse des körperlichen Schmerzes anderer Personen, denen medizinisches Personal gar nicht oder erst nach elenden Stunden half.

Als wir nach einem Einlauf wegen einer der vier von den Chirurgen verursachten Not-OPs zusammen unter der Dusche standen, weil auch dieser Einlauf mal wieder nicht so funktioniert hatte, wie die ehrenwerten Pflegekräfte und die ehrenwerten ÄrztInnen sich das gedacht hatten, brach eine Krankenschwester ohne Zutrittserlaubnis in die Dusche ein und sagte uns ins Gesicht, die wir da standen, nackt und nass und in verzweifelter Liebe&Angst: „Das ist ja widerlich!!!“.
(Diese Krankenschwester hatte bei jedem Infusionsschlauch- und Nadelwechsel darauf verzichtet, sich Gummihandschuhe anzuziehen.)
Danach wurde mein Mann nass und noch mit Scheißeschleim an den Knöcheln auf eine Bahre verfrachtet und zum dritten Mal notoperiert.
(Und er hat unter größtem Kraftaufwand diese Krankenschwester und ihre schmutzigen, fetten Finger wenigstens danach von sich fernhalten können: Er hat damals bei der Pflegeleitung erwirkt, dass diese Person nicht mehr in unsere Nähe kam.)

Als mein Mann das erste Mal, verbockt durch die aufgeplatzte Naht der ersten, der eigentlichen OP, notoperiert werden musste, fragte mich die Anästhesistin während der Not-OP, ob ich ihn nicht „offen lassen“ wolle: das sei für die Behandlung einfacher, man würde ihn dann schlicht dauerhaft sedieren, denn in etwa 20 Stunden müsse die nächste Not-OP erfolgen und das mindestens zweimal, vielleicht öfter.
Wir standen im Flur des OP-Trakts.
Ich wusste seit etwa fünf Stunden, dass alles schiefgegangen war: die ganze erste OP, dass er nun eine Sepsis, eine Bauchfellentzündung hatte wegen der schiefgegangenen OP,
und ich wusste seit einer Woche, dass er Darmkrebs hatte, weil vor einem Jahr jemand bei der Biopsie oder der Histologie selbiger einen Fehler gemacht hatte. {Für die Zartbesaiteten hier: Dass Biopsien bei Krebsuntersuchungen fehlgehen oder dass die sich anschließende histologische Untersuchung des richtig biopsierten Materials falsch ist, passiert unzählige Male. Tut mir leid.}
Und jetzt fragte mich diese Ärztin: „Sollen wir ihn offen lassen?“ {Für die Zartbesaiteten hier: Seinen komplett aufgeschnittenen Bauch offenlassen.} Und sie fragte das ohne jedes Mitgefühl, aber so, dass mir klar war: Für sie wäre es simpler: Offen lassen, medikamentös abschießen, dann wieder auf OP-Tisch und weiter offenlassen, abschießen, und dann wieder auf OP-Tisch bis Exitus oder raus aus meiner Station.
„Sollen wir ihn offenlassen?“ – Diesen Satz und diesen Krankenhausflur werde ich auch bis an mein Lebensende nicht vergessen.

Als wir in völliger Unklarheit mit neurologischen Symptomen in einem Krankenhaus einliefen, in dem man sich erst beim Hirn-CT und dann beim Bauch-CT irrte, kam zu uns ein selbsterrufener Sterbeprediger, hauptberuflich Chirurg in jener Uni-Klinik, und wollte uns dazu bekehren, jetzt zu sterben, weil ja die CT-Aufnahmen den Tod zeigen würden.

Als wir einen neuen Onkologen aufsuchten, weil wir von der ersten (s.o.) einfach genug hatten, wollte der meinem Mann verschreiben: eine täglich mehrfach aufsuchende Schwester samt Astronautenkostinfusionen und noch so dann und wann Chemopallia.
Da ist mein Mann aufgestanden und hat diesen schafsgesichtigen Onkologen gefragt: „Verzeihung, haben Sie Sehstörungen? Ich bin nicht mein 96jähriger Großvater, ich bin 46, ich bin ohne jede Beeinträchtigung in Ihre Praxis gelaufen und nicht hergekommen, um mich von Ihnen als Palliativpatient aus Ihrer Kartei schieben zu lassen.“

Als wir am Ende unserer Kraft, unserer Nerven und fast auch unserer Liebe waren, gingen wir in ein Provinzkrankenhaus, in dem er sich erhoffte, ein wenig aufgepäppelt zu werden (zuvor hatten eine Behandlung verweigert: die Psychiatrie, die PsychotherapeutInnen und die Schmerzkliniken), aufgepäppelt für den vielleicht letzten großen Medizinritt, eine gravierende OP.
In jenem Provinzkrankenhaus irrte sich die Diensthabende (nach Aktenstudium) erst beim Ultraschall im Ort des neuerlichen Krebsverdachts und dann mit der Dosierung des Morphin-Tropfs (des allerersten, den er bekam), den diese Ärztin einfach nicht mehr per Perfusor regeln, sondern offen durchlaufen ließ. [WAS ICH ZU SPÄT BEMERKTE, weshalb ich die Schuld trage.]

NIE, nicht ein einziges Mal in unserer 15-monatigen Sterbegeschichte habe ich irgendeinen dieser Ärztinnen und Ärzte, dieser Krankenschwestern und Krankenpfleger, mit denen wir es zu tun hatten (und das waren alles zusammengenommen gewiss mehr als 100) so „entsetzt“, so „betroffen“, so „ergriffen“ erlebt, wie sie es nun durch ihre ganzen offiziell so klassifizierten Covid19-Toten vorgeben zu sein.

Mich widert die Menschheit an. Ich kann mit Verlogenheit nicht klarkommen, nicht mit meiner eigenen und nicht mit fremder. Aber das ist glücklicherweise nur mein Problem. Und dafür gibt es eine Lösung.

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