Fehler machen – oder: Schluss mit einer Blase!


Immer noch lese ich in Psycho-Foren, genauer: in Internet-Foren für psychisch Gestörte. Einst schrieb ich auch dort.
Zu 99% schreiben dort Frauen. Von den dort schreibenden Frauen sind etwa 80% Mütter.
Nichts von dem dort Geschriebenen ist im statistischen Sinne „repräsentativ“ für die psychisch Gestörten der Bundesrepublik Deutschland (und das stimmt mich ein wenig froh). Diese Foren sind also sogenannte Blasen.

Mein Mitlesen dort ist ein Fehler, den ich mache, wieder und wieder.
Ich lese dort all diese anorektischen, depressiven, narzisstischen, borderline-, dissoziativ gestörten und/oder sonstwie psychisch kaputten Mütter (und die wenigen genauso kaputten Väter, die dort schreiben). Und die hadern alle mit ihren Müttern, den (mehr oder minder) unschuldigen Monstern.
– Und die pflanzen sich fort. Vor allem die Schwersttraumatisierten.
Die würgen Kinder am Fließband in die Welt. Zwei ist Minimum, zwei ist gar nichts, besser drei oder gleich sechse.

All diese Menschen, die dort schreiben, machen Psychotherapien oder haben sie gemacht oder wollen sie vielleicht machen. Sie schreiben dort über ihre ganze Gestörtheit, über ihre Psychose, ihren Hungerwahn, ihre bodenlose Traurigkeit, ihr Unvermögen, ein und derselbe Mensch zu bleiben. Wegen ihrer Mütter und oft auch wegen ihrer Väter, die alle schon mindestens genauso kaputt waren.
– Und dann erfährt man mal ganz nebenbei, dass Kinder da sind.
Oder dass noch ein Kind gezeugt wurde.
NIE SIND DIE KINDER IN DIESEN BEITRÄGEN IM ZENTRUM. Immer erfährt man nur nebenbei davon, dass diese gestörten Menschen Kinder haben und/oder bekommen werden.
{ Vielleicht schämen sie sich dessen und erwähnen es in diesen Foren deshalb erst immer sehr spät.}

~
Ich mache Fehler. Viele. Einen habe ich nicht gemacht: Ich habe mich nicht fortgepflanzt. Ich habe ein Ende gemacht.

Das ist nicht ganz so bewusst geschehen, wie ich es mir wünsche, aber es ist doch ziemlich bewusst geschehen. Und es ist das Ende eines generationenalten Leids, eines langewährenden Irrsinns.

Und das zählt, zumindest ein bisschen.
Jedenfalls signalisiert es mir: Ich kann Fehler unterbinden.
Und das heißt: Ich kann ebenso damit aufhören, in diesen grauenvollen Foren psychisch gestörter Menschen zu lesen, die ohnehin alle fast nur um sich selbst kreisen (was ich aus eigener Erfahrung weiß; und mich ekelt immer noch).

Was in mir bleibt:
Einer jeden Mutter (und einem jeden Vater) gegenüber tiefste Skepsis.
Ein kleines Glücksgefühl, weil ich ein Ende machen konnte.
Und: Ein Prickeln – alle Poren offen: Hirn- und andere Häute lassen Welt ein. Und mit jedem Zentimeter Welt werde ich mir gleichzeitig selbstverständlicher und belangloser: Frei zu und von.

Am Samstag das erste Mal nach fast genau sechs Monaten (sieht man von dem Laien-Spiel-artigen Nachmittag beim Schloss vor zwei Monaten mal ab) endlich wieder gelebte Musik: Das Opernhaus meiner Wahl erlaubt es Alleinstehenden, Einzelkarten online zu erwerben (fast alle anderen Konzert- und Musik-Etablissements hier zwingen Alleinstehenden, die eine Karte erstehen wollen, schwierige bis unmögliche Telefonate auf).
Und ich habe dort gleich noch zwei weitere Tickets für den Oktober erworben.
Auch wenn niemand weiß, ob … – das übrigens ist wie immer, auch ganz ohne „Corona“ (nur weiß das außer solchen wie mir keiner).
Vorhin Reste vom Freundinnen-Essen auf funkelnder Gischtlitze. – Was freu’ ich mich über’s neue Geschirr einen jeden Tag!
Und jetzt die erste Nacht in der neuen und frischgewaschenen Blumenwiese. – Was freu’ ich mich darauf (und darüber)!
{Und genauso gut könnte ich diese Sätze statt mit einem Ausrufezeichen mit einem Fragezeichen enden lassen: Freude und Sinnlosigkeit sind nicht zu trennen, auch nicht durch Interpunktionsregeln.}

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