„Zeugnis-Ablegen bis zum letzten.“ (Victor Klemperer)
(Fotorechte bei biggifra, zu sehen: der witweske Eisbär um der Menschlichkeit willen)
Es hat fast 12 Jahre gedauert, und ein Tod, eine erlogene Pandemie und ein Krieg, der so falsch ist wie alle Kriege, und der wie alle Kriege nicht nur einen Schuldigen hat, der aber unzählige Menschen tagtäglich völlig sinnlos sterben lässt, haben dazu geführt.
Mich zu mir.
Seit gestern bin ich angekommen.
Gestern hat der letzte Kontakt zu einem Menschen aus meinem vorwitwesken Leben sein Ende gefunden. (Es war ein quälend langes Sterben, doch das mag „besten Freundschaften“ angemessen sein.)
Nun also bin ich angekommen. Bei mir. Und im Augenklar. Zumindest dem Bemühen darum.
Dem Bemühen, keinen Illusionen mehr aufzusitzen (und wenn – jajaja weil eine Illusion manchmal tröstlich oder sogar temporär hilfreich ist –, wenn, dann sehenden Auges; jaja: das geht: Dialektik konnten Menschen schon immer).
Bin jetzt angekommen bei mir. Hier bin ich, was alle Menschen sind: existentiell allein.
Also frei von und zu.
Ich habe keine Familie mehr, obwohl da wohl noch ein paar leben. Und ich habe keine Freunde mehr aus meinem Leben #1, dem vor dem Tod.
Dies Leben vor dem Tod hat mich gelehrt, was ist. Und was Fio am Ende wusste und erfahren hat: Der Mensch ist existentiell allein.
Die Bindungsanstrengungen des Säulings gehen auf diese Erfahrung zurück: plötzlich „da“ und – allein.
Im Laufe seines Lebens vergisst der vom Säugling zum erwachsenen, gar zum alten Menschen heranwachsende Mensch das dann meist.
Manche erinnern sich, wenn es ans Sterben geht.
(Ich habe das wohl nie so ganz vergessen. Sonst wäre ich vermutlich anschmiegsamer gewesen zu allen Zeiten meines Lebens.)
Ich habe das während des Sterbens neu – durch einen anderen – erfahren.
Und ich habe es nach dem Sterben und dann in der Corona-Zeit und nun im Krieg erneut erfahren: Ich bin existentiell allein, denn ich bin ein Mensch.
Und ich habe schon sehr lange geahnt (und oft unbewusst gelebt), was für eine ungeheurliche Freiheit von und zu darin liegt.
Jetzt zum Beispiel für mich die Freiheit, für die Menschlichkeit und damit für die Gattung „Mensch“ zu kämpfen, obwohl ich diese Gattung für einen Irrtum der Evolution halte, nicht aber das, was sie unter dem Namen „Menschlichkeit“ oder „Humanität“ oder „Humanismus“ (und da gehe ich mindestens bis ins 14. Jahrhundert zurück) in die Welt gesetzt hat!
Und diesen Kampf führe ich – zunehmend entschlossener – mit anderen Menschen zusammen.
Und weiß: Ich bin als Mensch existentiell allein.
Ich habe alle Menschen aus meinem Leben #1 verloren (und nur 3 davon an den Tod, die anderen an sich selbst) oder verabschiedet. So kann es jederzeit auch im Witwesk sein.
~ Freiheit von und zu!
Wer säte wann in welche Erde
das Korn, aus dem ich sproß
ich Wilderling
finde das gleichgültig
denn ich weiß: ich bin allein
wie alle in der Ackerfurche
in Hitze und Hagel
allein wie alle in der Ackerfurche
bin ich frei
ich Wilderling