„Zeugnis ablegen bis zum letzten.“ (Victor Klemperer)
In dem jahrhundertealten, und somit auch tief in mir verankerten, Wissen, dass alles Demonstrieren nichts „ändert“ (ebenso wenig wie alles Reden und Schreiben, alles Morden und Kriegführen, alles Beten und Strafen, alles Lernen und Lieben), dass sich aber doch alles unabänderlich ändert, war ich auf der Friedensdemo.
Immer umfänglicher wird in mir der Gedanke, dass die Gattung „Mensch“ jetzt tatsächlich an ihr Ende gekommen sein könnte, dass all unsere – der gegen den Kapitalfaschismus widerständigen Menschen weltweit – politische Arbeit vergeblich war.
Und immer entspannter wird ein großer Teil in mir. Dem geht es ohnehin schon lange nur noch darum, sich selbst im Spiegel in die Augen blicken zu können. – Und darin ein Lachen zu sehen.
Ein zunehmend schrumpfender Teil in mir findet, dass das irgendwas zwischen schäbig und unerträglich ist.
Und ein dritter Teil in mir denkt an seine Toten mit der Erfahrung und Überzeugung, dass, wenn die Erinnerung aufhört, von keinem Menschen noch irgendetwas bleibt. Eine schöne Erfahrung und eine tröstliche Überzeugung.
Ich trudele zwischen all diesen Teilen von mir umher, stoße hier an, kreisele herum, schlage dort an, schnelle wieder vorwärts, pralle zurück, klemme irgendwo fest, schwimme mich rückwärts frei, nur um in eine neue Stromschnelle hinein zu geraten und in ihr vielleicht endlich zugrundezugehen.
Kürzlich durfte ich ein Gespräch führen, das mich noch länger beschäftigen wird.
Ich selbst spitzte irgendwann zu: „Wenn du mich vor die Wahl stellst: ‚Revolution oder Psychoanalyse‘, dann wähle ich ohne jedes Zögern letztere.“ (Wir beide begründeten unsere unterschiedliche Wahl sehr gründlich. Auch deshalb bin ich mit diesem Gespräch noch lange nicht fertig, wiewohl ich mir sicher bin. {Das wird vermutlich auch wieder unverständlich sein.})
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Ob ich wohl zum Lachen da vorm Spiegel je noch einmal fähig sein werde?
– Wenn nicht, wovon ich ausgehe, ist es auch akzeptabel. Denn so oder so: Es scheint doch alles einerlei zu sein.
(Dass „echte“ Kommunisten/Marxisten/Klassenkämpfer das mit Lenin als „kleinkariert-bourgeois“ bezeichnen, weil es sich dabei um Verzweiflung – zumindest um deren Anflug – handelt, lernte ich kürzlich. Mit Menschen, die dem Gefühl der Verzweiflung ein solches Etikett verpassen, kann ich nichts näher zu tun haben; das ist keine Frage des Wollens, sondern des Könnens, des mir begründet Möglichen bzw. wie in diesem Falle Unmöglichen.)