Schutzraum

Werden mich unsere Enkel- und Urenkelkinder fragen: „Du hast doch alles gewusst, warum hast Du nichts getan?“

Einst, um nicht mitzuverzweifeln (sondern um mir meine Art des Zweifelns freizukämpfen), ging ich manchmal rennen oder lief ziellos auf Straßen, Wegen umher, tags wie nachts.
Einst, um nicht mitverrückt zu werden, beendete ich Blutsbande.
Einst, um nicht mitzuverleugnen, forderte ich jede Freundschaft heraus bis zum Äußersten.

Jetzt, da es für mich nicht mehr um Verzweiflung, Blutsbande und Freundschaft geht, jetzt, um nicht erneut mitzuverzweifeln, mitverrückt zu werden und mitzuverleugnen, jetzt halte ich einen Schild über mich.
Auf dessen Innenseite steht die Frage an mich, die von nun an jede Nachricht hier einleiten wird: Werden mich unsere Enkel- und Urenkelkinder fragen: „Du hast alles gewusst, warum hast Du nichts getan?“

Unter ihm
bin ich.

Neben allen Bruchstücken über die „Corona-Maßnahmen“-Wahrheiten (vollkommene Schwachsinnigkeit der RKI-„Pandemie-Zahlen“; von der WHO nun selbst bestätigte Unverlässlichkeit der PCR-Tests; invasive Beatmung der ‚schweren Verläufe‘ mit +50%iger Sterbensquote aufgrund der Therapie zwecks Schutz des medizinischen Personals statt besserer Patientenbehandlung; Verdummung der Bevölkerung via Dauer-Panik-Modus; allmähliche Zersetzung der Erinnerung an die im GG verankerten Grundrechte u.s.w.) –

neben all diesen Bruchstücken der Wahrheit über den Zustand dieser Menschenwelt, die aus lauter Angst vorm Tod nunmehr alles Leben verbietet (und alles Sterben endgültig dem Menschen – als Beteiligter und als Zeuge – entzogen und zu einer Angelegenheit in Maschinenkreisläufen gemacht hat),
daneben

lese ich (nach dem „Landgericht“ endlich) Ursula Krechels „Shanghai fern von wo“ (langsam, langsam, weil die Leben dort so -, weil die Atemzüge derer, die diese Leben gelebt haben, meine stocken lassen) und Olga Martynovas „Engelherd“.

„Der Engelherd“ ist der erste – das erste Ding so als Buch; Menschen gab es da bislang nicht –, der den Schellenengel kennt. Den von Klee, den natürlich abermillionen Menschen kennen. Nur, dass er tatsächlich da ist
– das, so dachte ich bislang immer, sei des Lebensmenschen und mein Geheimnis.
Aber das kennt auch dieser Roman.

Is schon seltsam.

Dass er mir nun wiederbegegnet.
Und klimpert. Grinst. Frech. zärtlich. Und wieder wech. Bei Dir. Womöglich.
Oder halt, wie ich nun lernen musste, bei jemand anderem, in einem Buch.

Wie ich nun lernen musste. : Bücher können das.
Autorinnen können das. Künstler können das. Autoren und Künstlerinnen können das. Bild und Text können das. Linie, Farbe, Buchstaben, Satzzeichen. Und die Leere dazwischen.

In der ist der Schellenengel – wenn er sich zeigt.
Manchmal hüpft er auf meinem Schild herum. Manchmal hüpft er in diesem Buch herum. Dann klimpert’s. Und ich krieg Gänsehaut, weil ich das seit – keine Ahnung – über zehn Jahren nicht mehr gehört hab.

Hier ist Platz für Ihren Kommentar. (Ich werde ihn lesen.)