Selbstverletzung

„Zeugnis ablegen bis zum letzten.“ (Victor Klemperer)

Heute auf der „We still need to talk“-Demonstration, zu der sich selber „jüdische Intellektuelle“ nennende Menschen aufgerufen hatten, sagte ein Redner zunächst viel Richtiges über den Antisemitismus auf der Regierungsbank im Bundestag.
Und dann sagte er sinngemäß, dass die mit den Nazis zusammenmarschierenden Querdenker niemals solche Polizei-Schikanen erlebt hätten wie die Nahost-FriedensdemonstrantInnen jetzt.
{ Nebenbei: Bei dem Redner handelt es sich um den Berliner Politiker (Partei: Die Linke) Ferat Koçak. Und warum ein „Berufspolitiker“ auf einer Demonstration von „Intellektuellen“ auftreten muss, habe ich noch nie verstanden und verstehe ich nach wie vor nicht. }

Ich, eine „Querdenkerin“, seitdem ich denken kann, war mit Friedensfahne und Lichterkette dort.

Eine knappe halbe Stunde später bin ich gegangen.

Ich hielt es nicht mehr aus, von diesen Menschen dort auch nach aller bereits erfolgten Aufklärung immer noch als „mit Nazis zusammenmarschierend“ diffamiert zu werden.

Ich hielt es nicht mehr aus, dass trotz aller bereits erfolgten Aufklärung diese sich selbst für „Intellektuelle“ und „KünstlerInnen“ haltenden RednerInnen einen solchen bullshit von sich geben – und damit verdeutlichen:

Sollte die menschliche Vernunft überhaupt noch einmal eine Chance haben, wird das mehrere Generationen dauern!
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Mittlerweile ist mir der Glaube daran fast völlig geschwunden, dass wir Menschen unserer ehemals mühsam errungenen Vernunft noch einmal eine Heimstatt in der Mehrheit unserer Köpfe bieten können.

Und ich frage mich immer öfter, was ich hier eigentlich noch tu’.
Und ob nicht mein Tun langsam an eine Selbstverletzung grenzt.

Denn wenn ich fast keine Hoffnung auf die Rückkehr der Vernunft in die Mehrheitsmenschenwelt mehr habe, dann stellt sich mir die Frage:
Muss ich mich dann noch so zurichten, sie – die Vernunft – doch beim Spaziergang, auf Demos und anderen Veranstaltungen wieder und wieder zu beschwören?

Dass ich mich damit, die Vernunft entgegen aller Wirklichkeit zur Rückkehr zu beschwören, verwunde, ist mir klar und: spürbar.
Ebenso, dass es nur eine Alternative dazu gibt.

Ja. Nur noch eine.
So sehr ich auch die Freundin des Dritten, des Tertium Datur bin – hier gibt es nur noch eine Alternative.
Vermutlich lässt mich diese Ausweglosigkeit an der Vernunft festhalten.
Das ist unvernünftig.

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