
Werden mich unsere Enkel- und Urenkelkinder fragen: „Du hast doch alles gewusst, warum hast Du nichts getan?“ – Nein: Diese Frage noch zu stellen, wird niemand mehr da sein.
Dennoch: „Zeugnis-Ablegen bis zum letzten.“ (Victor Klemperer)
Ich nenn’s „das Segel setzen“.
Nie wieder werde ich mich hier oder privat mit einer Bitte an einen der beiden Menschen, die mir noch etwas bedeuten, wenden. Schon gar nicht mit der Bitte, sich nicht „impfen“ zu lassen. [Nein: Es gab bislang keine Reaktionen auf meine Bitte, ich schreibe das jetzt völlig frei.]
In dem einen Falle ist es ohnehin zu spät – und was sollte ich diesen Menschen da jetzt mit Statistiken und Studien zusätzlich verängstigen?
Im anderen Falle habe ich mitgeteilt, was ich zu sagen hatte.
Ein jeder entscheidet selbst.
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Der Lebensmensch hat sich immer für den Tod entschieden, vor dem er doch so entsetzliche Angst hatte. Er hat sich schon 2008, eineinviertel Jahr vor seiner Krebsdiagnose, für den Tod entschieden, als erstmals ein Krebsverdacht fünf Tage im Raum stand (der richtig war, aber wegen ärztlichen Versagens – entweder durch den biopsierenden Arzt oder durch den Pathologen – nicht als „richtig“ erkannt wurde).
Was hat er gelitten in diesen fünf Tagen. {Ich war gewarnt. Doch was hätte ich damals oder später anders machen können? Ein jeder entscheidet sich selbst für den Tod oder für das Leben oder für den Limbus.}
Und als dann eineinviertel Jahr später klar war, dass es ein Ärztefehler gewesen ist und doch ein Krebs gewachsen – nein: binnen 15 Monaten von einer „polypösen Struktur“ auf „6-7 cm im Durchmesser“ explodiert war (diese Wachstumsexplosion war Nummer 2 von den noch folgenden etwa 8 Nummern der statistischen 0,1 bis 0,001%, die wir immer waren, immer),
als dann also eineinviertel Jahr später klar war, dass der Ärztefehler passiert und der Krebs explodiert war, hat sich der Lebensmensch erneut und sofort für den Tod entschieden, vor dem er doch so entsetzliche Angst hatte.
Und gegen den er dann – angstbedingt halbherzig – 15 Monate lang „gekämpft“ hat.
Und damit gegen seine eigene Entscheidung.
Ich weiß, dass jeder letztlich selbst entscheidet. Allein. Und alleinlassend.
Und ich weiß, dass bei der Entscheidung für den Tod fast immer die Angst vor dem Tod die eigene Entscheidung lange Zeit sabotiert.
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Der eine Mensch hat jetzt entschieden, sich „impfen“ zu lassen.
Irgendwann wird er sterben. (Nochmals zur Klarheit: Irgendwann sterben wir Menschen. Und das ist gut so.) Ich wünsche ihm, dass er auch mit dieser „Impfung“ noch einige Jahrzehnte glücklich lebt, und ich wünsche mir, vor ihm tot zu sein.
Der andere Mensch wird entscheiden, ob er sich „impfen“ lässt oder ob nicht.
Irgendwann wird er sterben. Ich wünsche ihm, dass er noch einige Jahrzehnte glücklich lebt, und ich wünsche mir, vor ihm tot zu sein.
Ich habe entschieden, diese beiden letzten Menschen, die mir noch wichtig waren, emotional wieder dorthin zu ‚entlassen‘, wo alle Menschen auch damals nach dem Tod vor zehneinhalb Jahren waren und immer sind: in ihr eigenes Leben, das mit meinem nichts zu tun hatte und auch jetzt nichts zu tun hat.
Ich habe mein Segel gesetzt.
Wir werden dann und wann innigfreundschaftlich diskutieren, und werden analytisches Geschäft betreiben.
Und wir werden uns, da wo es wichtig ist, vollkommen fremd und ein jeder völlig allein sein. Wie immer.
Und wir werden sterben. Das ist gut so.
Ich habe mein Segel gesetzt.





